Zwei Studien für Oboe nach Claude le Lorrain

I - Bacchus und Ariadne auf Naxos (1656)x000D Der Titel dieses faszinierenden Gemäldes stammt nicht vom Künstler. Die Königin oder Göttin, die sich zornig umdreht, als sie einen im Schatten lauernden Mann entdeckt, scheint nicht der verlassenen Ariadne zu entsprechen, geschweige denn Nausikaa, wie es vorgeschlagen wurde.Doch auch wenn uns die Fabel heute entgeht, spielt sich auf der Leinwand ein prächtiges Drama ab. Locus terribilis: Das Meer ist dunkelgrün und von Wellen durchzogen, die Bäume bedrohen uns, die Küste ist voller Risse und Schatten. Der Eindringling wird bestraft. Es erschien mir natürlich, diese Studie in einer typisch romantischen Sprache zu schreiben, die besser als andere geeignet ist, übersteigerte Leidenschaften auszudrücken: angespannte Chromatik, lyrische Höhenflüge, unruhige Rhythmen, klagende Halbtöne.x000D II - Meeresküste mit Apollo und der Sybille von Cumae (um 1646-1647)x000D Das Motiv stammt aus dem 14. Buch der Metamorphosen von Ovid. Apollon, der in die Sybille verliebt ist, bietet ihr an, ihr einen Herzenswunsch zu erfüllen. Sie ergreift eine Handvoll Staub und bittet den Gott, so lange leben zu dürfen, wie sich Körner in ihrer Hand befinden. Allerdings hat die Sibylle nicht angegeben, dass sie immer jung bleiben möchte. Sie wird sich also ewig verzehren und von ihr wird nur der Klang ihrer Stimme übrig bleiben. Obwohl es die Endlichkeit aller Dinge ausdrückt, ist dieses Bild ein süßer, ekstatischer Gesang: locus amœnus. Goldenes Licht durchflutet den Himmel und die Bucht, eine leichte Brise scheint über das Meer zu wehen und das Herbstlaub der Bäume zu beleben, Apollo und die Sibylle sind zwei unschuldige Seelen im Frieden der Welt.Das Intervall der Quarte mit seiner unsicheren, "weißen" Farbe herrscht in dieser Studie vor, und die punktierten Rhythmen deuten Raum, Wind und Wellenbewegung an.